Erziehung nach Auschwitz
Aus der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft lernen
Hier erfahren Sie mehr aus der leidvollen Geschichte der Sinti und Roma Kinder in der St. Josefspflege Mulfingen.
Nach dem Heimerlass von 1938 wurden schulpflichtige Kinder deutscher Sinti und Roma aus Baden und Württemberg durch die Behörden in das Kinderheim St. Josefspflege in Mulfingen eingewiesen. Hier lebten sie und gingen zur Schule. Gleichzeitig wurden an ihnen rassebiologische Untersuchungen vorgenommen. Am 09. Mai 1944 wurden 39 Sinti und Roma Kinder nach Auschwitz deportiert. 35 von ihnen wurden dort im August 1944 ermordet.
Die St. Josefspflege in Mulfingen ist auch heute ein Ort der Erinnerung. Dies geschieht vor allem im Projekt „Erziehung nach Auschwitz“. Vor diesem Hintergrund dieses Ereignisses wird mit den Schülern die leidvolle Geschichte der Sinti und Roma Kinder aus der St. Josefspflege Mulfingen mit dem Ziel „Aus Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft lernen“ bearbeitet. In der Beschäftigung mit dieser Geschichte bewegen sich die Schüler auf den Spuren der Sinti und Roma Kinder von damals. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bewegt und verändert. Sie regt zum Nachdenken über Werte und Haltungen an.
Projektarbeit
Erinnern
Die Zeit des Nationalsozialismus ist für die heutige Jugend weit entfernt. Durch die Erinnerungsarbeit sind wir tief in die Geschichte der St. Josefspflege Mulfingen eingedrungen. Die Spurensuche in Mulfingen und in Auschwitz, die Begegnung mit Auschwitz ist eine zutiefst eindrückliche, aber auch verunsichernde Erfahrung. Insbesondere die Begegnung mit Zeitzeugen ermöglicht es den Schülern direkt an der leidvollen Erinnerung teilzuhaben.
Gedenken
Das Gedenken an die Sinti-Kinder ist an jedem 9. Mai fester Bestandteil der Kultur der St. Josefspflege Mulfingen. Auch der 27. Januar, der Tag der Befreiung von Auschwitz findet seinen Platz als Tag des Gedenkens.
Mahnen
Gedenken ist Erinnerung und Mahnung. Wir suchen Wege des Verstehens und der Begegnung. “Jedes Kind, das gezeugt und geboren wird, will angenommen sein, sich entfalten und leben”.
Amalie Schaich
Amalie Schaich war eines der Kinder, die in der St. Josefspflege Mulfingen lebten. Sie berichtete bei einem Besuch in Mulfingen im Jahr 1995 persönlich von ihrer Zeit in Mulfingen, in Auschwitz, sowie Ravensbrück. Amalie Schaich, geb. Reinhardt wurde 1929 in Ravensburg geboren. 1938 wurden sie und ihre Geschwister den Eltern weggenommen. Amalie Schaich kam mit ihrer Schwester Scholastika 1939 in die St. Josefspflege Mulfingen. Sie gehörte zu den 39 Kindern, die nach Auschwitz deportiert wurden. Sie und weitere ältere Kinder wurden vor der Ermordung der Sinti und Roma in Auschwitz in KZs in Deutschland verlegt (z.B. Bergen-Belsen und Ravensbrück). Von den Mulfinger Kindern überlebten so nur vier.
Amalie Schaichs Geschwister wurden in Auschwitz ermordet.
Ausstellung zum nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma im Staatlichen Museum in Auschwitz
Im Ausstellungsbereich wurde ein Gedenkraum eingerichtet. Zu sehen sind hier Filmaufnahmen der Sinti-Kinder aus der St. Josefspflege Mulfingen, die im Frühherbst 1942 von „NS-Rassebiologen“ aufgenommen wurden. Ihr Schicksal steht stellvertretend für all jene Sinti und Roma Kinder, die im nationalsozialistisch besetzten Europa verfolgt, gequält und ermordet wurden.